Glühwürmchen im Central Park
Im Hochsommer, wenn es in den Häuserschluchten Manhattans unerträglich heiß wird, zieht es mich regelmäßig in den Central Park. Besonders die lauen Sommerabende haben es mir angetan, wenn unter den Bäumen die Glühwürmchen tanzen. Melodische Töne in der Ferne locken mich weiter in den Park zu gehen. Ins Gespräch vertiefte Spaziergänger kreuzen meinen Weg, eine Pferdekutsche rumpelt vorbei. Läufer sind selbst bei diesen Temperaturen nicht zu bremsen und streben neue Bestzeiten an.
Auch mich motiviert der Central Park zum Laufen, allerdings am frühen Morgen, wenn es noch etwas kühler ist. Obwohl mir die ambitionierte Leidenschaft für sportliche Spitzenleistungen fehlt, genieße ich es, mit einem entspannten Lauf in den Tag zu starten. Unglaublich, wie viele Menschen kurz nach Sonnenaufgang schon in ihren Turnschuhen unterwegs sind. Ich habe den Vorteil, dass mein Jetlag mich ohnehin in aller Frühe putzmunter aus dem Hotel treibt.

Während ich zum Jacqueline Kennedy Onassis Reservoir laufe, springen leuchtend rote Kardinalvögel unterhalb der Büsche umher. Einige Schritte weiter blicken andere Frühaufsteher, den Kopf in den Nacken gelegt und der Sonne entgegen blinzelnd, in die Krone eines majestätischen Baumes. Hoch oben thront ein Greifvogel, der das morgendliche Treiben aufmerksam beobachtet.
Ein Highlight meines Laufs ist die Strecke um das Reservoir. Die Runde ist etwa 2,5 Kilometer lang und bietet die schönsten Blicke aus dem Park auf die Skyline. Wenn über der Upper East Side die Sonne aufgeht, taucht sie die Upper West Side in gleißend helles Licht. Ab dem oberen Teil des Sees, wenn ich der East Side den Rücken kehre, öffnet sich der Blick auf all die markanten Wolkenkratzer Midtowns. So schön, dass ich manchmal inne halte und genieße, bevor ich mich wieder in Bewegung setze.
Das andere Highlight ist eine New Yorkerin, die von oben bis unten bonbonrosa gekleidet ist. Mit pinkfarbenen Kopfhörern auf den Ohren singt sie lautstark Songs von Kelly Clarkson, Katy Perry oder Tylor Swift mit. Ihre weißen Löckchen wippen munter im Takt auf und ab, während sie in gemäßigtem Tempo an der Tavern On The Green vorbei joggt. Ich schätze die Dame auf Ende 70 und ihre glitzernde Energie begeistert mich bei jeder Begegnung aufs neue.


Während ich überlege, ob ich die sportliche Lady in Pink morgen nach ihrem Namen frage, holen mich Saxophon, Bass und Drums in die Gegenwart zurück. Das ist es, was ich an New York so liebe. Immer und überall gibt es Musiker, die es mir unmöglich machen, meinen Weg fortzusetzen. Jazz ist ebenso New York, wie das Empire State Building und die gelben Taxis. Besucher und Einheimische lauschen den Klängen, einige wiegen sich im Rhythmus der Musik. Sie tanzen fast so schön, wie die Glühwürmchen unter den Bäumen.