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Liebe auf den zweiten Blick

Die ruhige und entspannte Stimme im Lautsprecher verkündet, dass sich der Abflug nach JFK, New York, um weitere 60 Minuten verzögern wird. Sie bittet um Verständnis. Ich wippe mit den Füßen, rolle demonstrativ mit den Augen – und frage mich, wie ich mein New York Programm überhaupt noch schaffen soll. Der kurz geplante Aufenthalt schrumpft vor mir zusammen, wie ein Wollpullover in der Waschmaschine.

Wochenlang habe ich mich auf diese Kurztrip vorbereitet. New York bietet so unendlich viele Möglichkeiten und ich will sie alle sehen. Die 500 Seiten meines Reiseführers sind mit bunten Post Its zugepflastert, ein Stapel an Ausdrucken diverser Website Tipps erreicht einen ähnlichen Umfang. Jede Minute zählt und will ausgekostet werden.

In New York angekommen, bin ich wild entschlossen, jeden Punkt meiner „Must See List“ abzuhaken. Übermüdet und aufgekratzt zugleich flitze ich eilenden Schrittes durch die Straßen. Kaum einer der New Yorker hält mich bei diesem Tempo für eine Touristin. Es werden Fotos von mir am Times Square, auf dem Empire State Building, in der Grand Central Station, vor der Freiheitsstatue und an vielen anderen Sehenswürdigkeiten gemacht. Erinnern an diese besonderen Momente, als ich das erste Mal mittendrin im Big Apple war, kann ich mich kaum.

Freiheitsstatue New York
2015 besuche ich das erste Mal Miss Liberty auf Liberty Island

Jahre später denke ich an diese erste Reise zurück. Liebe auf den ersten Blick war es zwischen New York und mir nicht. Schlimmer noch – das Bild, das ich von der glamourösen Glitzermetropole hatte, wurde durch Berge von Müllsäcken und hoffnungslos überfüllten Sightseeing Spots in schmutzigen Farben übermalt. Doch mit meinem Fazit „hier muss ich nicht noch einmal hin“ lag ich so meilenweit daneben, wie New York von Berlin entfernt ist.

Der Zufall gab New York und mir eine zweite Chance. Der Abflug rückte näher, doch der Alltag hatte mich fest im Griff. So verschob ich die Detailplanung Woche um Woche. Mein Reiseführer, an dem die bunten Post Its munter raschelten, gab mir die Sicherheit, dass beim zweiten Besuch nichts schief gehen könne.

Wie hatte ich mich geirrt. In New York angekommen zog es mich magisch nach draußen. Es war keine Zeit, meine Highlights zu strukturieren. Das Ergebnis? Viele Wege machte ich doppelt, verpasste dafür andere Dinge. Und stellte zurück in Berlin fest, was ich alles noch hätte entdecken können und wie viel entspannter meine Zeit hätte sein können.

Brooklyn Bridge New York
Im Februar 2023 glücklich auf der Brooklyn Bridge

Plötzlich war New York überall. Bücher, Dokumentationen, Artikel, Social Media Posts – ständig kreuzte der Big Apple meinen Weg. Und ich sog alles auf! Lange vor der nächsten Reisebuchung stand fest, was es zu erkunden galt. Nun verliefen meine Reisen wesentlich entspannter. Ich sah mehr, probierte neue Restaurants und Cafés aus und erlebte eine völlig andere Art der New York Reise – die mich wesentlich näher an das lokale Leben brachte.

Die planlosen Streifzüge durch die Straßen gehörten der Vergangenheit an. Ich wurde ein Bewohner der Stadt. Oft traf ich auf New Yorker, denen ich Neues erzählen konnte. Die mir im Gegenzug ihre Geheimtipps verrieten. Natürlich besuche ich bis heute bei jeder Reise meine persönlichen Highlights. Das Schöne an New York ist, dass es nicht nur niemals schläft, sondern dass es immer im Wandel ist.

New York ist für mich die aufregendste Stadt der Welt. In unzähligen Liedern besungen oder als Kulisse für Serien und Filme – es gibt wohl kaum jemanden, der nicht ein Bild von „seinem“ New York hat. Mein Ziel ist es, dass jeder das New York seiner Träume entdeckt und die beste Zeit seines Lebens in dieser Stadt verbringt. Und dabei den eigenen Flair der Stadt erfährt. Am Rückreisetag mit dem Gefühl in das Flugzeug steigt, dass diese Geschichte weitergehen wird. Und die Mundwinkel automatisch Richtung Ohren streben, bei jeder Erinnerung an eine Reise, bei der vieles vertraut und doch alles neu und aufregend war.

Inzwischen kenne ich New York, vor allem aber Manhattan, besser als meine Heimatstadt Berlin. Und selbst hier bin ich für Freunde, Familie und Kollegen diejenige, die immer um Tipps gebeten wird. Reist jemand nach New York, bin ich Ansprechpartnerin #1.

Kürzlich durfte ich für meine ersten Kunden eine mehrtägige Reise planen. Durch mein Wissen um die besten Spots der Stadt, haben sie am Ende weniger Geld für Sightseeing-Pässe ausgegeben und mehr von New York gesehen. Und das mit genügend Zeit, um sich auch noch in Jahren bei jedem Foto an die besonderen Momente ihrer New York Reise zu erinnern. 

New York Schriftzug

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